Was einst als flüchtiges Scribble auf Butterbrotpapier bei einem guten Glas Bier begann, ist nun eine Herzensangelegenheit geworden – die Fertigstellung der Schriftfamilie Johann Sans.

Die Grundidee

Diese Microsite soll als Form der Dokumentation und Präsentation meiner Schrift dienen und dabei den Fokus auf die Entstehungsgeschichte legen. Sie soll meinen Lernprozess über die Jahre widerspiegeln, die Veränderungen an der Schrift zeigen und meine gewonnen Erkenntnisse teilen. Sie wird über die Jahre stetig wachsen und ist daher immer als Momentaufnahme zu betrachten, Fehler und Ungereimtheiten darf sie durchaus zeigen.

Hiermit lade ich also alle Schriftinteressierten, Typo-Nerds, angehende Schriftgestaltern und Suchmaschinencrawler ein, einen persönlichen Blick hinter die Kulissen der bunten und komplexen Welt des Schriftdesigns zu werfen.

Frühe Scribbles auf Butterbrotpapier dienen der Formfindung.

Warum eine weitere Serifenlose ?

Die Johann Sans, ist, wie der Name bereits verrät, eine Schrift der Gattung der serifenlosen Schriften. Der Grund, warum ich eine ­solche Schrift entwerfe, liegt in dem einfachen und pragmatischen Wunsch, dass ich für meine Arbeit als Gestalter eine eigene, speziell für diesen Zweck entworfene Schrift schaffen möchte. Eine Schrift, die als Teil der eigenen Corporate Identity fungiert, meine Kompetenz im Bereich der Typografie unterstreicht und zeitgleich praktisch und anwendbar auf die Bedürfnisse meiner Kommunikationsmittel wie Website, Geschäftsbrief, Angebot und Rechnung, zugeschnitten ist.

Zudem hatte ich zu Beginn meiner Reise angenommen, dass serifenlose Schriften auf Grund ihres vereinfachten Aufbaus auch einfacher zu gestalten seien. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellte – denn das Gestalten einer Schrift ist niemals einfach.

Kontrastprogramm

Monolineare Klassiker wie die DIN von Albert-Jan Pool faszinieren mich bereits seit Beginn meiner grafischen Ausbildung. Die vermeintliche Schlichtheit, Klarheit und die geometrische Anmutung einer DIN hat schon so einige Designer um den Finger gewickelt, ein Blick auf die MyFonts Bestseller Liste verrät, dass dies keine Seltenheit ist. Kontrastarme Geofonts sind derzeit gefragt wie zuletzt im Bauhaus.

Je fetter der Schnitt, desto größer sind Kontrast und Overshoot.

Für mich war klar: Eine Schrift mit geringem Kontrast, klaren Formen und DIN-Niveau musste her. Die Idee für meine Sans Serif war geboren. An dieser Stelle sei noch ein Hinweis angebracht: wer denkt, dass die DIN nur aus einer Mittellinie besteht, der wird erstaunt sein. Schaut man sich die Schrift im Detail an, findet man in keinem Buchstaben eine konsistente Strichbreite. Dies ist jedoch eher unserem Auge als dem Schriftgestalter ­Albert-Jan Pool zuzuschreiben. Denn damit wir eine Schrift als kontrastlos wahrnehmen, müssen die horizontalen Striche dünner als die vertikalen sein. Denn sie werden von unserem Auge immer ­dicker wahrgenommen. Geht es also darum, eine kontrastarme Schrift zu gestalten, sollte niemals ganz auf Kontrast verzichtet werden.

Die Sache mit der x-Höhe

Die Lesbarkeit und Leserlichkeit einer Schrift hängt von vielerlei Faktoren ab. Die wahrgenommene Größe aus einer bestimmten Entfernung ist dabei eine der entscheidenen Variablen. Um Schriften auf ihre Lesbarkeit zu untersuchen und diese vergleichbar zu machen, verwendet man als Vergleichswert die x-Höhe einer Schrift. Die x-Höhe ist eine gedachte Linie, die der Höhe eines Kleinbuchstaben »x« entspricht. Die meisten Kleinbuchstaben »wohnen« zwischen der Grundlinie und der x-Höhe.

Eine großzügig gewählte x-Höhe dient der besseren Lesbarkeit.

Da alle lateinischen ­Sprachen hauptsächlich in Kleinbuchstaben geschrieben werden – die Deutschen fallen mit ihren vielen Großbuchstaben schon beinahe aus dem Raster – prägen sie den Gesamteindruck einer Schrift maßgeblich. Ist die x-Höhe in Anbetracht der Versalien (Großbuch­staben) hoch gewählt, wirkt die Schrift in kleineren Punktgrößen immer noch gut lesbar, birgt viel Weißraum und schafft Platz für feinere Details. So ist es für das Auge einfacher, gerade in längeren Fließtexten ähnliche Formen zu differenzieren. Verschiedene Studien und auch das DIN-Komitee zur Lesbarkeit und Leserlichkeit haben dieses Feld weiträumig untersucht und belegen diese Thesen.

Mit dem Wissen im Hinterkopf entschied ich mich für eine x‑Höhe von ca. 69 Prozent der Versalhöhe zu wählen, um auch in kleinen Drucksachen wie Visitenkarten eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten. Da sich unser Auge mittlerweile daran gewöhnt hat, Schriften mit ähnlich großer x-Höhe zu lesen, macht die Schrift sofort einen zeitgemäßen Gesamteindruck – ein erfreulicher Nebeneffekt.

Regelmäßiges Drucken und Überprüfen von Schriftmustern ist ein essenzieller Bestandteil der Schriftentwicklung

Der Wert von Skizzen

Butterbrotpapier, Stifte und – wenn vorhanden – eine Feder. Mehr bedarf es nicht, um einen Buchstaben zu schaffen, der als Grundlage und Ausgangspunkt einer ganzen Schrift dienen kann. In meinem Fall begann ich meterweise Minuskeln des Buchstabens »a« zu zeichnen. Dabei ging es mir nicht um den perfekten Buchstaben. Im Gegenteil, zuerst zeichnete ich ohne jegliche Vorstellung frei und unbefangen drauf los. Es ergaben sich etliche interessante Formen und es fiel am Schluss schwer, sich auf eine Form festzulegen.

Heute kann ich jedoch rückblickend sagen, dass die Sorge vollkommen unbegründet war. Denn in der Regel ändert sich im Laufe des Schriftprozesses die Schrift enorm und ein Bezug zur Grundidee wird oft schwer erkennbar. Dennoch habe ich den Wert dieser Herangehensweise zu schätzen gelernt. Nur so lässt sich eine grobe Richtung, ein Gefühl für eine Formsprache finden. Auch wenn das Endergebnis nichts mehr mit der Originalzeichnung zu tun hat. Es hilft in jedem Falle beim Start der Schrift.

Von Dünn über Fett zu Halbfett – Interpolation

Zur Gliederung von Inhalten eignet sich nichts besser als die Verwendung verschiedener Schriftschnitte, um eine logische Ordnung zu schaffen. Auch innerhalb eines Satzes kann ein fetter oder kursiver Schnitt zur Hervorhebung einzelner Wörter dienen. Wie kommt man jedoch zu den verschiedenen Schriftschnitten ? Muss dafür jeder Schnitt neu von Hand gezeichnet werden ? Die Antwort darauf lautet, wie so oft, ja und nein.

In der Welt der Schriftgestaltung gibt es eine Methode namens »Multiple Master«, die anhand zweier unterschiedlicher Schnitte ­einen Mittelwert aus den vorhandenen Schnitten erstellt. So könnte man z.B. eine Regular und eine Bold zeichnen und zwischen diesen beiden Polen eine Halbfette ohne weiteres Zutun »morphen« – in der Fachsprache wird das als Interpolation bezeichnet.

Korrekturen an den Minuskeln. Das kleine c birgt noch zu viel Weißraum

Was in Zukunft geschieht

Der aktuelle Stand der Johann Sans ist noch fern von einer baldigen Veröffentlichung. Je mehr Zeit man in ein Schriftprojekt investiert, desto größer wird der Anspruch an die Schrift und an einen selbst. Mehr Zeichen, mehr Details, eine noch größere Sprachabdeckung, OpenType Features, echte Kapitälchen, diverse Zahlenformatierungen, und so weiter.

Auf der anderen Seite wird die Schrift immer komplexer und bedarf oftmals der Nachbesserung. Wird im Nachhinein die allgemeine Breite eines Buchstabens verändert, so müssen eventuell vierzig andere ebenfalls neu ausgerichtet werden. Ein Teufelskreis. Es ist daher durchaus üblich, dass Schriftgestalter mehrere Jahre an einer Schrift arbeiten.

ein Ziel ist es darum, bis zum Abschluss meines Bachelors, die Schrift soweit zu optimieren, dass ich aus ihr guten Gewissens meine Arbeit setzen könnte. Eine gute Schrift zu entwickeln bleibt eine Aufgabe auf Lebenszeit.

Das stark umstrittene Versal-Eszett in der Entstehung
In Bearbeitung – Die Form passt noch nicht zu den Versalien

Das richtige Werkzeug

Derzeit gibt es auf dem Markt eine Vielzahl von Tools um Schriften zu entwerfen. Da wäre zum Beispiel das Urgestein »FontLab«, ein mächtiges, hochkomplexes Werkzeug, dass jedoch zuletzt 2005 sein letztes großes Update gesehen hat. Vorteil jedoch: Es gibt FontLab sowohl für Windows als auch für Mac. Preislich ist es aber mit 650 Dollar das teuerste der Fontprogramme.

Dann wäre da noch RoboFont. Dieser Fonteditor von Frederik Berlaen basiert auf dem UFO-Format (Unified Font Object) und läuft ausschließlich auf Mac OS. Selbst habe ich ihn noch nicht ausprobiert, kann demnach auch nicht all zu viel darüber erzählen. Schenkt man gleichwohl anderen Schriftgestaltern ein Ohr, hört man jedoch viel Gutes. Er wird stetig weiterentwickelt, hat ein modernes Interface und bietet den Vorteil des UFO-Formats, das ebenfalls von vielen anderen Schrifttools verwendet wird.

Der Schrifteditor FontForge ist als einziger Editor kostenlos zu beziehen. Das Aussehen zeigt jedoch auch, dass das Programm in die Jahre gekommen ist und in Sachen Interface und Usability große Defizite aufweist. Wer jedoch für kleinere Spielereien kein Geld ausgeben möchte, dem sei FontForge wärmstens empfohlen. Richtige Schriftprojekte lassen sich damit allerdings nicht realisieren.

Ein guter Mittelweg aus »Nicht zu teuer« und »Up-to-Date« stellt das Programm Glyphs dar, welches ich euch ans Herz legen möchte. Entwickelt vom Schriftdesigner und Programmierer Georg Seifert aus Berlin, verfügt es über ein einfach zu bedienendes Interface und praktische Features. Mächtige Funktionen machen das »Heranzüchten« einer Schrift zu einem wahren Vergnügen und kinderleicht. Das Programm wird derzeit in zwei Versionen für Mac OS geliefert: einer Profiversion und einer abgespeckten Version namens »Glyphs Mini«, die für Anfänger jedoch mehr als genügen sollte. Für gerade einmal 44,90 Euro (Stand: Juni 2015) erhaltet ihr ein wirklich umfangreiches Stück Software, das alle wesentlichen Funktionen eines Fonteditors mit sich bringt. Ich selbst habe mir vor ca. einem Jahr mit einem Studentenrabatt die Vollversion gekauft und bin seither mehr als zufrieden.

Ein paar Worte zu mir

Seit 2013 studiere ich Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Potsdam. Als ausgebildeter Mediengestalter durfte ich bereits für namhafte Unternehmen und Hochschulen arbeiten. Zu den Auftraggebern zählen Bosch, Der Verlag der Tagesspiegel, FU Berlin, Uni Freiburg, Uni Greifswald und viele Weitere. Als Freiberufler sammelte ich bereits wertvolle Erfahrungen im Bereich des Interfacedesigns, der Gestaltung von Printprodukten und im Bereich des Corporate Designs. Doch meine eigentliche Leidenschaft gilt der Typografie und der Schriftgestaltung. Seit 2014 arbeite ich in meiner Freizeit an meiner ersten eigenen Schriftfamilie – der Johann Sans. Nächtelang werden Vektoren geschliffen, Pixel gebogen und verschoben – immer auf der Suche nach der richtigen Form.

Darüber hinaus interessiere ich mich ebenso für Sprache und das Schreiben. Daher arbeite ich seit 2014 jährlich als CvD und Redakteur für den Blog der TYPO Berlin, der größten Designkonferenz Europas.

Autor der Schriftfamilie Johann Sans – Jannis Riethmüller